Sitting is the new smoking…?

Entwicklung. news. erfahrungsberichte.

Ein höhenverstellbarer Schreibtisch und ein Stuhl

Sitting is the new smoking…?

Entwicklung. news. erfahrungsberichte.

Disclaimer: In diesem Artikel werden Produkte von spezifischen Anbietern empfohlen; dies beruht allein auf persönlichen Erfahrungswerten und ist nicht mit einem monetären Vorteil für nuuONE verbunden.
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Joel Barthel
Hi! Ich bin Joel, 25 und seit 2022 Content Creator bei nuuONE. Ich fokussiere mich auf digitale Tools, die unsere Arbeit effizienter und ganz einfach besser machen. Nebenher beschäftige ich mich mit der Postproduktion von Filmen, mit besonderem Fokus auf Videoschnitt.

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Ziel dieses Beitrags ist es, dich auf mögliche Konsequenzen eines sedentären (unbeweglichen) Alltags hinzuweisen und dir Tipps an die Hand zu geben, wie du deinen Berufsalltag mit einfachen Mitteln für deine Gesundheit optimieren kannst. Hier geht es in erster Linie um deine physische Gesundheit, wobei diese bekanntlich auch untrennbar von deinem psychischen Wohlbefinden ist.  

Scroll‘ einfach auf die Tools-Sektion runter, falls du den informativen Teil dieses Beitrags überspringen möchtest. 


 

Wie gefährlich ist sitzen?

Dr. James Levine, Medizinprofessor der Mayo-Klinik sagte:

„Sitzen ist gefährlicher als Rauchen, tötet mehr Menschen als HIV und ist tückischer als Fallschirmspringen. Wir sitzen uns selbst ins Grab.“ (Quelle)
 

Als ich mich in meinem früheren Beruf als Film- und Videoeditor mit Lernmaterial beschäftigte, um mich autodidaktisch fortzubilden, stieß ich – wie viele in der Branche – auf Walter Murch, der international in seinem Bereich so bekannt und beliebt ist wie Gordon Ramsey unter denen, die kochen. 

Sein Input ist für die Filmindustrie so wertvoll, dass ein Transkript aus einer Vorlesung, die Murch im Oktober 1988 in Sydney gab, zu dem heute bedeutendsten und eins der meistgekauften Bücher über Filmschnitt wurde (siehe Amazon Bestseller). 1995 wurde „In The Blink Of An Eye“ gedruckt.

Dass ausgerechnet das Werk einer meiner größten Helden der Filmindustrie zu einem bedeutenden Element meines neues Jobs in der IT-Beratung werden würde, hat mich überrascht. „In The Blink Of An Eye“ enthält viele nützliche Informationen darüber, wie man in welcher Situation den perfekten Schnitt setzt, was die Rolle eines Editors ist und was diese Arbeit so faszinierend macht. Murch demystifiziert eine eher „versteckte“, aber essenzielle Rolle im Prozess des Filmemachens – deshalb durfte das Buch auch bereichsübergreifend in der Welt der Filminteressierten viel Anklang finden.

Doch was in diesem Meisterwerk des begabten US-amerikanischen Editors heraussticht, ist seine über viele Jahre der Zehn-Stunden-Tage angesammelte Weisheit zum Thema Ergonomie, Gesundheit und die damit verbundene Kreativität. Schon vor 60 Jahren entdeckte Murch in seinen verschiedenen Büros, dass das Arbeiten im Stehen viel mehr Spaß macht.

Bezogen auf die Kreativität schreibt er:

Schneiden ist eine Art Chirurgie – und hast Du jemals einen Chirurgen gesehen, der im Sitzen operiert? Schneiden ist auch wie kochen – und niemand setzt sich an den Herd, um zu kochen. Vor allem aber ist schneiden eine Art Tanz – der fertige Film ist eine Art kristallisierter Tanz – und wann hast Du je einen Tänzer gesehen, der sich hinsetzt, um zu tanzen?“ (In The Blink Of An Eye, S. 44-45, übersetzt).

Modern Workplace ist eine unserer Kernkompetenzen bei nuuONE und gerade das spricht Walter Murch in seinem Buch (slash Vortrag) an. Als jemand, der nicht unbedingt als Vorbild für ein sporterfülltes Leben gilt, beschäftigt mich die Frage seither, wie ich wenigstens meinen recht unbeweglichen Alltag so gestalten kann, dass mein Beruf mich nicht privat langsam tötet und ich am Ende für nichts gearbeitet habe.

In diesem frisch erschienenen Interview spricht Murch darüber, wie er in späteren Jahren herausfand, dass Stehen ihn nicht nur kreativer macht, sondern auch gesundheitliche Vorteile bietet1. Das bezieht er auf unser Lymphsystem, das für die Funktionstüchtigkeit unseres Immunsystems entscheidend ist. Um es stark zu vereinfachen: Dein Lymphsystem hat keine „Pumpe“, so wie dein Herz. Dein Lymphsystem braucht die Bewegung deiner Muskeln, um aktiv zu sein. Stell dir einmal vor, du müsstest dich bewegen, damit dein Herz schlägt. Warum dich nicht bewegen, damit dein Immunsystem funktioniert?

Und es ist nicht nur die Arbeit. Was machst du, wenn du ins Büro fährst? Sei es im Auto oder in der Bahn: Du sitzt. Was tust du, wenn du isst? Wahrscheinlich sitzt du. Was machst du im erschöpften Zustand, wenn du Feierabend hast? Vielleicht sitzt du auf deiner Couch.

An dieser Stelle ist es meiner Meinung nach naiv, zu glauben, die „Pfeil-Hoch“-Taste auf deinem höhenverstellbaren Tisch ein paar Sekunden gedrückt zu halten und den Stuhl zur Seite zu rollen, sei die Lösung aller Probleme. Gizmodo hat es etwas härter ausgedrückt und einen Artikel mit folgendem Namen veröffentlicht: „Standing Desks Are Mostly Bullsh*t“. Jeder, der es mal ausprobiert hat, weiß es – auch am Stehtisch kannst du verharren, wenn du vergisst, wofür er da ist.

Der Titel dieses Beitrags endet also bewusst mit einem Fragezeichen. Ist Sitzen das neue Rauchen? NEIN. Sesshaftigkeit, also ein bewegungsarmer Alltag, ist das neue Rauchen.

Was nun? Als jemand, der nächtelang recherchiert, um sich den perfekten Schneebesen für die Küche zu kaufen2, durfte ich in den letzten Jahren der Büroarbeit einige Tools und Tricks entdecken, die für mich gut funktionieren. Der Hierarchie nach werde ich diese nun offenlegen und dir beim Lesen selbst überlassen, was du davon mitnehmen möchtest. Wenn du nur eine Sache hiervon verwendest, wirst du wahrscheinlich früher oder später einen positiven Unterschied spüren.

Tools – wie ich meinen Arbeitsalltag gesünder gestalte

Walk & Talk

Ob 6 000, 7 000 oder 10 000 Schritte am Tag – die eine Studie sagt so, die andere so. Die Tagesschau veröffentlichte jüngst einen Artikel, der für lediglich 4 000 Schritte plädiert, basierend auf einer Meta-Studie, die 17 hochqualitative Studien und somit international 227 000 Testpersonen vergleicht und auf einen klaren Konsens kommt. Es geht darum, mit regelmäßigem Schritte-sammeln die Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bluthochdruck, Herzinfarkte, Vorhofflimmern und Co.) zu senken. Die Dinge, die vielen von uns besonders im Alter die Lebensfreude rauben.

Durchschnittlich sammelst du etwa 100 Schritte pro laufende Minute. Mit einem einzigen 30-Minuten-Meeting am Tag, welches du spazierend verbringst, hast du also schon 3  000 Schritte erreicht. Mit den alltäglichen Bewegungen, die du jeden Tag ausführst, hast Du das 4 000-Schritte-Ziel längst erreicht, was „die bisherige Definition einer sitzenden Lebensweise untergräbt“ (aus Studie übersetzt).

Eines der besten Meetings, welches ich regelmäßig führe, ist ein 1:1-Gespräch mit einem unserer Geschäftsführer. Wir verlassen das Büro und laufen 30min quer durch den Medienhafen in Düsseldorf, während wir reden. Das sorgt nicht nur für Lockerheit und Entspanntheit, auch bei ernsteren und sensibleren Themen, da man sich nicht konfrontativ gegenübersitzt, sondern eben auch für einige tausende Schritte, die man diesem Tag ohne zeitlichen Mehraufwand hinzufügen kann. Und genau darum geht es: Ich möchte hier nicht über Methoden sprechen, die meinen Alltag unterbrechen – Ich möchte Routinen schaffen, die mich langfristig blind begleiten.

Braucht es für jedes Meeting Live-Notizen? Und reicht zur Not ein Handy, falls doch ein wichtiges Detail aufkommt, das sich nicht nach dem Meeting am Rechner notieren lässt? Und sonst: Lass es ein Training für dein Kurzzeitgedächtnis sein. Viele Meetings lassen sich wortwörtlich im Spaziergang erledigen. Probieren geht über studieren!

Tipp: Besonders einfache Telefonate ohne Kamerabild lassen sich spazierend ausführen. Dies lässt sich auch gut im Homeoffice umsetzen, wo man nicht vom Team umgeben ist.

Anti-Fatigue-Fußmatte

Wenn wir am Rechner sitzen, benutzen wir meistens einen Stuhl und sitzen nicht auf dem Boden. Warum also beim Stehen auf Komfort verzichten?

Seit nun über fünf Jahren besitze ich den Topo von Ergodriven3. Ich habe schon auf anderen Fußmatten gestanden, mit denen ich nicht annähernd so zufrieden war. Den Geldbeutel mögen die billigeren Optionen von Amazon schonen, aber an der Qualität zweifle ich.

Wer nicht über 100€ für eine Fußmatte ausgeben möchte4, dem rate ich, nicht auf die flachen Varianten (siehe Screenshot) zurückzugreifen, sondern auf solche, die diverse Erhöhungen besitzen.

Wer etwas mehr ausgeben möchte, kann sich das Smoove Board von Blackroll ansehen, das ich allerdings bisher nicht getestet habe. Blackroll ist für langjährige Garantien und großzügige Rückgabefristen bekannt, was meiner Erfahrung nach sehr deutlich für die Qualität der Produkte eines Anbieters spricht.

Entscheidend ist, dass deine Füße nicht inaktiv bleiben. Dafür sorgt meine Topo-Matte nun seit fünf Jahren sehr zuverlässig – es wird nie langweilig. Es ist wie deine kleine Tanzfläche und du kannst nicht anders, als dich mal vorne, mal hinten und mal seitlich abzustützen, und, in meinem Fall, mit der Wölbung in der Mitte herumzuspielen und deine Füße zu massieren. Das Ganze lenkt mich bei der Arbeit nicht ab – wenn überhaupt hilft es, mich bei so manchen Meetings etwas weniger zu langweilen. Und ich darf sichergehen, dass mein Lymphsystem in Betrieb ist…

Tipp: Zieh deine Schuhe aus!

Eine moderne Alternative zum Stuhl

Ich bin tatsächlich ein großer Fan dieses Stuhls – er ist angenehm gewölbt, sodass man das Sitzen darauf nie satt wird. Das Material, auf dem man sitzt und der Rücken angelehnt ist, ist atmungsaktiv, sodass man nie vom Sitzen schwitzt. Das ist besonders im Hochsommer eine Wohltat.

Allerdings ist auch dieser tolle Stuhl, der neu, je nach Ausstattung, satte 1 500-2 500 Euro kostet5, nicht die Lösung des Problems, das wir hier zu beheben versuchen.

Ich war froh, dass unser Umzug des nuuONE-Büros im letzten Jahr neue Büroausstattung mit sich brachte. Dazu gehörten Bürohocker. Sie haben den spürbar großen Vorteil, dass sie zu einer gesunden, geraden Rückenhaltung zwingen und man eigentlich kaum aufhört, sich zu bewegen. Im intensiven Fokus ist es zwar schon mal möglich, dass man den Stuhl „austrickst“ und sich einfach mit dem ganzen Körpergewicht an den Tisch anlehnt, aber die Tendenz ist viel niedriger, an einem 8h-Tag lange sedentär zu bleiben.

Am überzeugtesten bin ich vom SitTight. Durch seinen großen Radius zwingt er dich förmlich, ihn so zu benutzen, wie er gedacht ist – mit deinen Füßen drauf, sodass du dich konstant ausbalancierst und in einer minimalen Form der Bewegung bleibst. Und: Wenn man Schuhe trägt, kann man ihn auch stehend verwenden.

In diesem kurzen Video siehst du, was ihn auszeichnet:

Brauche ich eine Smartwatch?

Ich kann aus eigener On-Off-Erfahrung sprechen, und eine Studie der John Hopkins University scheint diese zu bestätigen – zumindest, wenn Benachrichtigungen ein Teil des Erlebnisses sind – Smartwatches tracken deine Aktivität und lassen dich wissen, wie gut du an einem gegebenen Tag voranschreitest und können dich motivieren, die Extra-Meile zu gehen. Besonders mit den eben genannten Schritten kann dir eine Statistik darüber auf deinem Handgelenk den letzten Push geben, auf dem Heimweg doch zwei oder drei Haltestellen früher auszusteigen, um noch die letzten 700 Schritte zu sammeln. Oder beim Städtespaziergang mal auf den Aufzug zu verzichten und lieber die Treppe zu nehmen.

 


 

Wenn du dich für dieses Thema interessierst und noch mehr erfahren möchtest, dann lies dir unbedingt dieses E-Book von Zack Arnold durch, von dem ich selbst vor einigen Jahren einiges über Gesundheit am Arbeitsplatz lernen durfte und der mich auch motivierte, 100€ für eine Fußmatte auszugeben (einer der besten Käufe, die ich in meinem Leben gemacht habe – nicht nur, weil die Matte zuhause einer der besten Konversationsstarter ist!).

 


 

Fußnoten

1Es spricht Bände, dass Murch, der weltberühmte Editor, von einem anderen Editor interviewt wird – und die erste Frage ist, warum es besser sei, zu stehen, als zu sitzen.

2Das Resultat war ein Schneebesen mit bequemem Silikongriff und, ja, einer Lebensgarantie, falls er mir mal in zehn Jahren kaputt gehen sollte.

3Wenn mir jemand sieben Jahre Garantie auf ein Produkt gibt, auf dem ich mind. fünf Tage die Woche stundenlang stehen und herumtrampeln soll, muss ich keine weiteren Fragen zur Qualität des Produkts stellen.

4Ich möchte anmerken, dass sich so mancher gern rechtfertigt, viel Geld für ein gutes Bett mit hochwertiger Matratze auszugeben, mit dem Gedanken, man verbringe darauf 1/3 seines Lebens.

5Falls ich dich gerade überzeugt habe, diesen Stuhl zu kaufen, so fürchte dich nicht – gebraucht bekommst du ihn für weniger als die Hälfte. Er hat 12 Jahre Garantie und ist somit fast unsterblich. Ich habe meinen damals für 350€ gekauft und, aufgrund vom fast kompletten Umstieg aufs Stehen, sechs Jahre später für genau denselben Preis wieder verkaufen können. Qualität zahlt sich aus (oder kostet in Fällen wie diesen nicht mal was!)

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